Les Goûts Réunis

In der ersten Hälfte des 17. Jahrhundert war in ganz Europa die italienische Musik von größter Bedeutung. Italienische Sänger und Instrumentalisten waren an den Königshöfen in Frankreich und Deutschland zu finden, deutsche Komponisten reisten zu Bildungszwecken nach Italien und überall wurde Claudio Monteverdi und der italienischen Oper gehuldigt. Auch am Hof Ludwigs XIV führte Francesco Cavalli seine Opern auf. Doch mit dem Tod des italophilen Premierminister Mazarin 1661 brach ein anderes Kapitel an. Fortan sollte eine original französische Musik vorherrschend werden! Es wurden konsequent alle italienischen Musiker entlassen und viel Energie in die Entwicklung einer “typisch französischen” Musiksprache gesteckt, die in erster Linie der Huldigung und Verherrlichung des Sonnenkönigs dienen sollte. Interessanterweise wurde hierbei Jean-Baptiste Lully die zentrale Figur mit einzigartiger Monopolstellung – in Florenz als Giovanni Battista Lulli geboren – aber gerade zum rechten Zeitpunkt eingebürgert und zum Franzosen erklärt.

Die französische Musik wandte sich stark der Instrumentalmusik zu, mit der vorherrschenden Form des Ballet de Cour: In diesen aufwändig inszenierten Werken tanzte der König selbst die Rolle der aufgehenden Sonne – eine quasi religiöse Form der höfischen Repräsentation. Die französischen höfischen Tänze breiteten sich über Europas Königshäuser aus und beförderten damit die Gattung der Tanzsuite. Gegen Ende des 17. Jahrhundert und ins 18. Jahrhundert hinein gewann die Instrumentalmusik in ganz Europa immer mehr an Bedeutung, und damit wurde auch der französische Einfluss stärker. In Deutschland entstand in der Folge eine Komponistengeneration, die mühelos beide Stile beherrschte und dem deutschen Hochbarock im sogenannten “vermischten Stil” seine größte Blüte bescherte: Händel, Telemann, J. S. Bach. Bachs Orchestersuiten zeigen eine große Vertrautheit mit dem französischen Vorbild: Die Ouverture der h-moll-Suite mit ihren markanten Punktierungen ist ebenso wie die darauf folgenden Tanzsätze “eindeutig französisch” und klingt doch unverkennbar nach Bach. Gleichzeitig war Bach natürlich auch sehr vertraut mit der italienischen Musik seiner Zeit. Er adaptierte das Oboenkonzert in d-moll des Venezianers A. Marcello für Cembalo – in unserem Programm hören Sie das Oboenkonzert mit den Bach’schen Verzierungen.

Auch in Frankreich bemühte sich die nächste Generation in Gestalt von François Couperin, der Hofmusiker unter Ludwig XIV war, um eine Wiedervereinigung des französischen mit dem italienischen Stil. Er integrierte italienische Spieltechniken und Affektdarstellungen in seine Suiten, und veröffentlichte 1724 eine “Les goûts réunis” genannte Konzertsammlung, in denen u. a. eine Hommage an Corelli enthalten ist. In der Sammlung “Les Nations” wird jede Suite von einer “Sonade” – einer eigentlich italienischen Gattung – eingeleitet. Telemann folgte Couperins Idee eines “Goût réuni” in besonderem Maße in seinen beiden Quartettsammlungen “Quadri” und “Nouveaux quatuors”, publiziert in 1730 bzw. 1738. Während die erste Sammlung noch einen italienischen Titel führt und je zwei Concertos, zwei Sonaten und zwei Suiten enthält, ist die zweite Sammlung speziell für seinen lange erwarteten Besuch in Paris in 1737 entstanden und enthält 6 Suiten. Alle 12 Quartette wurden während seines Aufenthalts aufgeführt – als erster deutscher Komponist durfte er sich in den Concert Spirituel präsentieren und erlangte hiermit endgültig internationalen Ruhm.

Der nur 2 Jahre nach Telemann geborene Rameau sollte spät in seinem Leben die französische Oper zu einer neuen Blüte treiben. Zunächst komponierte er aber hauptsächlich für Cembalo. Seine “Pièces de clavecin en concerts” sind zwar der Instrumentation nach Triosonaten – das eigentliche Hauptinstrument ist aber das obligate Cembalo. Alle Pièces haben programmatische Titel. In Nr. 5 huldigt er den drei großen französischen Komponisten Forqueray (Gambist und Komponist am Hofe Ludwigs XIV und ein Vertreter eines italienisch inspirierten Stils), Cupis (ein virtuoser Geiger) und Marais (ebenfalls Gambist und Komponist bei Hofe – einer der Traditionalisten, die italienische Einflüsse vehement ablehnten).

F. Couperin
Les Nations: Premier ordre
„La Françoise“

A. Marcello
Oboenkonzert in d-moll
Op. 1 Nr. 2 S.D 935

J. Ph. Rameau
Pièce de clavecin en concert No. 5
La Forqueray – La Cupis – La Marais

G. Ph. Telemann
„Pariser Quartett Nr.7“ / Premier quatuor aus „Nouveaux quatuors en six suites“
in D-Dur TWV 43 : D3

J. S. Bach
Orchestersuite Nr. 2 in h-moll
BWV 1067