La musique chantante

In der Mitte des 18. Jahrhunderts war in Europa ein tiefgreifender sozialer Wandel zu beobachten: Die Aufklärung veränderte in den kommenden Jahrzehnten nahezu alle Lebensbereiche. Der Absolutismus wurde in Frage gestellt und schließlich von der französischen Revolution dahingefegt, ein selbstbewusstes Bürgertum war im Entstehen, das Wirtschaftssystem änderte sich durch beginnenden Aktienhandel und industrielle Revolution, die Antike diente nicht länger als Vorbild, noch galt weiterhin die Religion als einzige Wahrheit.

In Kunst, Musik und Philosophie waren starke Echos zu spüren: Das Interesse verschob sich vom prunkvoll Symmetrischen, “Gottgleichen” hin zu einer menschlichen, subjektiven Ausdrucksweise. Während die monumentalen Handlungen barocker Opern von Göttern und Schicksalskräften bestimmt wurden, werden die Dramen der “neuen” Zeit von menschlichen Gefühlen dominiert.

Die “alte” Musik des frühen 18. Jahrhunderts wird nun rückblickend als “barock” bezeichnet (N. A. Pluche, 1746) und im Gegensatz zu einem neuen Stil gesehen, der “seine Melodie den natürlichen Klängen unserer Kehle und den Akzenten der menschlichen Stimme entnimmt, die spricht um andere mit dem zu bewegen, was uns berührt (…). Wir sollen dies La musique chantante nennen.”

In der Folge bilden sich verschiedene Tendenzen in der neuen Sphäre der Natürlichkeit und Menschlichkeit. Der galante Stil spiegelt die französische Verfeinerung und den Wunsch, den Sinnen zu schmeicheln. Der Sturm und Drang, eine ursprünglich literarische Bewegung, konzentriert sich auf die inneren Spannungen und Dimensionen des menschlichen Leidens. Die Empfindsamkeit ist eine mehr spirituelle Bewegung die Wert legt auf Empfindung und Ausdruck persönlicher Emotionen.

Unser Programm bietet mit den Werken zweier Bach-Söhne, eine Sonate ohne Komponistenangabe aus dem sogenannten „Dresdner Schrank“, eine Barocksonate von Fasch aus dem gleichen Schrank sowie mit zwei frühen Werken der klassischen Meister Mozart und Haydn einen Überblick über den ästhetischen Wandel im 18. Jahrhundert und die Entwicklung der genannten drei Stile. Der Aufstieg der menschlichen Emotionalität, mit all ihrem Licht und Schatten, zieht sich durch die Werke dieser Genies, mit dem Vorbild der menschlichen Stimme als Leitmotiv.

Anonymus
Triosonate in g-moll aus dem Schrank 2 der Dresdner Hofkapelle

Johann Friedrich Fasch (1688-1758)
Triosonate in D-Dur, FaWV N:D3

Johann Christian Bach (1735-1782)
Sonate für Cembalo in c-moll, Op. 5 Nr. 6

Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788)
Triosonate in d-moll H. 569

Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)
Sonate für Klavier und Violine in G-Dur, KV 301

Joseph Haydn (1732-1809)
Divertimento in D-Dur, Hob. IV:11